Am Anfang war es noch richtig heiß zwischen euch und es war noch aufregend und toll in der Kiste zu landen. Aber mit der Zeit wird es weniger – vielleicht so wenig, dass du von dir aus keine oder kaum Lust hast. Dann kann es sein, dass du unter dem „Coolidge-Effekt“ leidest.
Der Coolidge Effekt
Mit dem Coolidge Effekt beschreibt man das Phänomen der wachsenden Lustlosigkeit, die sich einstellt, wenn man immer wieder mit dem selben Partner schläft.
Das heißt im Umkehrschluss, dass es absolut normal ist, wenn du weniger Lust auf Sex in deiner Beziehung hast. Es gibt Menschen, bei denen stellt sich dieser Effekt schneller ein, bei anderen kaum. Und im Gegensatz zu weit verbreiteten Mythen, ist der Effekt bei Frauen genauso stark ausgeprägt wie bei Männern.
Warum wir uns damit so schwer tun
Das hört sich nach einer schlimmen Prognose für Sex in Partnerschaften an. Tatsächlich ist es auch so, dass die meisten Paare, die bei mir landen, sich nach dem Sexleben der ersten Zeit sehnen. Klar - versteh ich total. Denn in der Phase ist Sex absolut berauschend und es fällt so schön leicht. Und mit der Zeit wird's einfach anders, manchmal auch schwer. Damit tun sich viele Menschen schwer.
Das kann an folgenden Faktoren liegen:
- Du hast für dich mehr sexuelles Bedürfnis, als in der Partnerschaft aktuell erfüllt wird.
- Sexuelle Anziehung und die Quantität von Sex ist für dich ein Indikator für Liebe.
- Dein Konzept von einer Liebesbeziehung basiert hauptsächlich auf der Idee, dass zwei Menschen exklusive Sexualität miteinander teilen. Das führt dann über kurz oder lang dazu, dass du an der Beziehung zweifelst.
- Dir fehlt der Kick, den du über den Sex in der Anfangsphase hattest.
Veränderungen im Sex-Drive sind normal
Tatsächlich ist es aber so, dass Sex in Langzeitbeziehungen sich verändert. Oft nicht nur die Quantität, auch die Qualität. Meistens verbessert sich die Qualität (zumindest spielt man sich aufeinander ein), die Quantität wird oft geringer. Und die Variabilität der sexuellen Begegnungen wird auch enger.
Das sind alles "normale" Entwicklungen. Deshalb führt es auch in eine Sackgasse, wenn ihr euch nach den Anfängen zurücksehnt. Die Zeit kann man einfach nicht zurückdrehen. Natürlich könnt ihr etwas tun, wenn ihr etwas verändern wollt!
Fragen, die euch weiterbringen
Worüber solltet ihr euch einzeln Gedanken machen und darüber austauschen?
1. Habe ich Bedürfnis nach Mehr?
Frag dich ruhig, ob du gerne mehr Sex hättest. Dabei geht es darum, ob dir die Häufigkeit, wie ihr miteinander intim seid, ausreichend ist. Vielleicht kommst du darauf, dass es dir eigentlich ausreicht. Vielleicht stehen auch andere Bedürfnisse dahinter. Was bietet dir denn der Sex? Oder hast du nur mehr Bedürfnis nach Sex, weil du glaubst, dass anders etwas falsch bei euch ist?
2. Ist mehr vom Gleichen das, was du willst?
Wenn du das Gefühl hast, dass es mehr sein sollte, frag dich, ob es mehr vom gleichen sein soll oder ob du dir insgeheim versprichst, dass über die Häufigkeit auch mehr Abwechslung reinkommt. Kleiner Hinweis: Dem ist selten so.
Frag dich also, wonach du dich sehnst: Ist es die Lust auf etwas Neues oder magst du mehr Intimität? Magst du vielleicht tatsächlich mehr von dem, was ihr immer macht?
3. Würde die Häufigkeit reichen, wenn die Qualität besser wär?
Manche denken, dass mit mehr Sex auch bessere Qualität dabei herauskommt. Das ist jedoch keinesfalls so, wenn nicht bewusste Veränderungen vorgenommen werden. Wenn du immer die gleichen Nudeln kochst, werden sie gleich schmecken, wenn du das Rezept nicht veränderst.
Vielleicht empfindest du dein Sex-Leben nicht mehr so "sättigend". Was würdest du dir anders wünschen? Ich mag dir diese Option geben, über diese Idee nachzudenken. Denn ich hatte einmal ein sehr erhellendes Gespräch mit einer Frau, die mich fragte, wie viel Sex denn "normal" wäre. Auf die Frage konnte ich keine Antwort geben, denn zwischen keiner und ständig kann alles normal sein.
Darauf meinte sie: "Weißt du, wir haben nur alle 2 Wochen Sex. Aber wenn, dann ist der richtig intensiv und dann brauch ich auch erst einmal nichts mehr."
Sprich: Wenn dich dein Sexleben erfüllt, kann es absolut normal sein, wenn du nur alle paar Wochen Lust hast!
Lust ist variabel
Zu guter Letzt noch ein paar Gedanken zum Sex in Langzeitbeziehungen: Ich kann nur jedem Paar empfehlen, den Anfang voll auszukosten. Die Phase kommt nie wieder. Es gibt vereinzelt Fälle, die sich neu verlieben, aber meistens gibt es davor ein richtig tiefes Tief und dann eine richtig große Veränderung, die viel Kraft erfordert.
Ansonsten ist Lust sehr variabel. Sie hängt von so vielen Faktoren ab, die wir oft nicht steuern können. Wir starten auch alle von anderen Ausgangslagen: Manche haben einfach mehr Sex-Drive als andere. Die einen kommen besonders auf ihre Kosten, wenn sie eine tiefe Beziehung zu einem Menschen haben, andere wenn sie mehr wechselnde Partner:innen haben. Die einen sind auch in Stressphasen lustvoll, andere nicht.
Wichtig ist, dass wir Sex nicht als Waffe verwenden, mit deren Entzug wir den anderen verletzen wollen. Auch ehrlich geäußerte Bedürfnisse (die auch mal als Kritik rüberkommen) ist keine Absage an die Person, sondern an das, was passiert. Einfacher lassen sich Veränderungen bewirken, wenn wir davon ausgehen, dass der andere nichts Böses will. Dann lohnt sich auch der Austausch und das Sprechen.