"Wenn wir dabei sind, dann ist alles okay. Ich denke nicht darüber nach. Doch kaum sind wir fertig, möchte ich am liebsten im Boden versinken. Ich habe das Gefühl, dass er mich einfach benutzt hat. Kann das sein, wenn ich doch selbst mitgemacht habe?"
Das erzählt mir Ina* (Name und Geschichte anonymisiert) im Coaching. Ihr Auftreten ist ruhig. Macht sich körperlich nicht künstlich klein. Sie wirkt auf mich prinzipiell selbstsicher. Doch diese Worte kommen aus ihrem Mund, als wir über ihre Zweifel sprechen, ob ihr Sexleben wirklich ihrs ist.
Meistens bist du nicht allein
Ihr Mann ist nicht dabei. Ich kenne ihn nicht. Er darf es auch nicht wissen, dass sie zu mir kommt. Denn immer, wenn das Gespräch darauf kommt, dass sie sich Hilfe bei der Vermittlung zwischen ihnen wünscht, blockt er ab: "Ich will nicht mit jemand Dritten über uns reden."
Er ist nicht der Fokus in diesem Gespräch. Mir geht es um die Person, die vor mir sitzt und aus dem Teufelskreis aussteigen will. Denn immer wieder ist Sex ein großes Problem zwischen den beiden. Heute sitzt sie bei mir und wir reden. Ganz entspannt.
"Kann es sein, dass es mir so unangenehm ist, obwohl es gut ist?"
Viele Fragen führen zum Grund
Wenn Ina mir sagt, dass sie das so empfindet, dann gibt es das. Sonst würde sie mir nicht davon berichten. Doch wie kommt sie da nun raus? Was ist der Grund für ihre Scham?
Ich stelle viele Fragen.
- Wie ist ihre Einstellung zu Sex?
- Ist Sex für sie überhaupt ein Ding?
- Masturbiert sie?
- Wie empfindet sie das Machtgleichgewicht zwischen ihr und ihrem Mann?
- Wie wurde sie in puncto Sex erzogen (oder nicht erzogen)?
- Wofür genau schämt sie sich?
Im Gespräch stellt sich heraus, dass ihre mentale Einstellung zu Sex prinzipiell sex-positiv ist. Auch der Sex, den sie miteinander haben, passt zu ihr. Doch was löst bei ihr sonst die Scham aus?
Reden hilft
Irgendwann kommen wir darauf, dass sie die Pornos hasst, die ihr Mann ansieht. Sie empfindet sie als frauenverachtend. Doch was in ihrem Schlafzimmer stattfindet, ähnelt manchmal sehr diesen Pornos. Dann kommt die Scham.
Da haben wir den Auslöser.
Wir sprechen und "fädeln" die beiden Sachen auseinander: Da ist der Porno und auf der anderen Seite der Sex, der beiden Spaß macht. Sie muss nicht die Pornos mit ins Bett nehmen. Wir geben ihrem Gefühl einen neuen Rahmen. Wenn die Scham sie wieder überfällt, gebe ich ihr ein paar Realitätscheck Fragen mit. Sie soll sich melden, wenn sie noch etwas braucht.
Viele Auslöser können zum gleichen Ergebnis führen
Nicht immer sind es die Pornos des Partners, die Scham in Frauen auslösen. Es gibt viele Ursachen.
- Feste Vorstellungen, was "okay" und was "nicht okay" ist
- Sexualerziehung in der Kindheit
- moralische Vorstellungen
- sexuelle Vorlieben, die nicht zum Selbstbild passen
- Unwohlsein im eigenen Körper
- nicht wissen, was lustvoll für einen selbst ist
- das Gefühl von sozialer Unsicherheit (der Partner spricht abwertend oder großmäulig vor anderen über das private Sexleben)
- Angst vor Gesichtsverlust vor dem Partner
Was der Auslöser jeweils ist, kann sehr spezifisch oder allgemein sein. Nicht immer findet man die genaue Ursache. Oft reichen kleine Veränderungen in der Bewertung der Situation gepaart mit kleinen Maßnahmen, die man immer wieder macht, um das Gefühl aufzulösen oder zumindest so unschädlich zu machen, dass sie dich nicht mehr stören.
Wieso viele doch nicht drüber sprechen
Ganz häufig sprechen Menschen nicht über dieses unangenehme Gefühl. Aus Angst, noch mehr beschämt oder nicht ernst genommen zu werden. Manche haben Angst, dass die Scham dann noch größer wird oder sie haben Angst, den Partner in die Pfanne zu hauen.
Doch es sind nicht immer nur diejenigen, die direkt betroffen scheinen. Bei Ina war es so, dass auch ihr Mann sich schämte. Nämlich davor, dass er etwas falsch macht, "es" nicht bringt. Denn wer hat "Schuld" an Inas schlechtem Gefühl?
Wo keine Schuld, da weniger Scham
Auch wenn in Inas Fall sein Pornokonsum der Auslöser war, trägt ihr Mann keine Schuld. Überhaupt ist es selten sinnvoll, "Schuld" zu suchen. Denn häufig produziert das Schuld zuweisen nur noch mehr Scham und das Gefühl, dass irgendjemand etwas nicht kann und "fehlerhaft" ist.
In diesem Zusammenhang zitiere ich gerne Gerhard Vollmer: "Wir irren uns empor."
Denn wenn irren und daraus lernen ein völlig normaler Weg ist, dann brauchen wir uns wenigstens für Fehler nicht zu schämen. Wir dürfen aus ihnen lernen.
Was lernte Ina aus ihrer Scham? Sie will mit Respekt und Achtung behandelt werden. Und das auch von sich selbst. Sie will nichts tun, was ihr nicht gefällt. Und darauf will sie achten.
Mehr zum Thema Scham gibts hier: Scham
Du willst auch aus deiner Scham lernen? Melde dich gerne zum Kennenlerngespräch am Telefon an.