Es gibt viele Menschen, die gerne Sex haben. Und es gibt viele Menschen, die sich vor Sperma und/oder Scheidenflüssigkeit ekeln. Oder Angst haben. Oder sich unwohl fühlen damit.
Dieser Artikel entspringt einem kleinen Nebenprodukt meiner Arbeit. Denn es kam noch nie jemand, der mich darum bat, den Ekel vor den genannten Körperflüssigkeiten weg zu machen. Doch immer wieder ist das ein Teil der Gründe, wieso ein Partner dem anderen Partner die Freude am Oralverkehr verweigert. Oder wieso der andere keine Freude beim Oralverkehr hat.
Ich möchte das Thema ansprechen. Nicht, um es groß zu zerstückeln oder aufzubauschen. Sondern, um es ins Gespräch zu bringen.
Wie entspannt bist du mit deinen Körperflüssigkeiten?
Die erste Frage, die ich in den Raum werfe, ist, wie du selbst zu deinen eigenen Körperflüssigkeiten stehst? Damit meine ich alle. Schweiß, Speichel, Nasensekret, Blut, Scheidenflüssigkeit/Sperma, Tränen, Urin.
Die zweite Frage ist: Gibt es Unterschiede zwischen den Flüssigkeiten für dich?
Die dritte Frage: Was verbindest du mit Sperma und Scheidenflüssigkeit?
In meiner Erfahrung ist es ein ganz wichtiger Teil einer entspannten Sexualität, dass man ehrlich mit sich selbst ist. Das heißt, wenn ich unentspannt bin mit Körperflüssigkeiten, dann kann ich von meinem Partner lernen, entspannter damit umzugehen, wenn er oder sie es tut. Aber ich kann nicht verlangen, dass jemand anderes entspannt mit meinen Flüssigkeiten umgeht.
Dazu erlebe ich immer wieder irritierende Aussagen. Von Männern und Frauen!
Ein Beispiel, das mir im Gedächtnis blieb, war, dass sich ein Mann während des Coachings sehr darüber beschwerte, dass seine Frau es eklig fand, wenn er in ihrem Mund kam.
Ich stellte ihm nur eine Frage dazu: "Hast du selbst einmal dein Sperma im Mund gehabt?" Hatte er nicht. Der Rest ist Geschichte.
Ein anderes Beispiel war, dass eine Frau sich darüber beklagte, dass ihr Partner sie nie mit dem Mund verwöhnte. Im gleichen Atemzug sagte sie, dass sie sich auch immer mit Parfüm einsprühe, weil sie ihren Geruch nicht mochte...
Der liebe Geruchssinn
Ich höre schon die Stimmen der Oral-Liebhaber: "Es gibt doch nichts geileres, als..." Doch, das gibt es für viele Menschen schon.
Denn nicht jeder Mensch geht mit allen Gerüchen entspannt um. Das ist auch einfach okay so. Allerdings stelle ich auch folgende Fragen:
Welche Gerüche bevorzugst du? Wie kümmerst du dich um deine Hygiene? Wie gefällt die die Hygiene deines Partners? Welche Hygieneprodukte nutzt du?
Ich frage das aus folgendem Grund:
Mittlerweile sind sehr viele Dinge, die wir nutzen mit künstlichen Duftstoffen angereichert. Duschgels, Shampoos, Spülmittel, Kloreiniger, Waschmittel und Weichspüler, sogar Puder und andere Kosmetika. Auch in Einkaufsläden wird mit Duftstoffen gearbeitet und es gibt Raumdüfte, die sich hohem Absatz erfreuen. Und natürlich auch die ganzen Duftwässerchen, die uns mal mehr und mal weniger dezent überall begegnen.
Daraus entsteht etwas, das sich Geruchsprägung nennt. Der Mensch kann sich so ziemlich an alles gewöhnen, weshalb er sich auch mit Veränderungen nicht so leicht tut. In Sachen Sex und Körpergeruch gerät eine Nase, die auf Kokos-Vanille geprägt ist, jedoch sehr schnell in einen Konflikt! Denn Schweiß und andere sexuellen Körpersäfte riechen sehr nach Mensch. Der ist bekanntlich keine Kokosnuss und schon lange keine Vanilleschote...
Mag ich meinen Partner biologisch?
Das Geruchssystem hat ja durchaus seinen Sinn. Denn über den Geruch können wir "erkennen", ob jemand auf biologischer Ebene zu uns passt. Und manchmal können wir auch riechen, ob jemand krank ist. Denn dann riechen Menschen auch anders als sonst.
Auch beim Lustnektar naschen ist der Geruchssinn sehr nützlich. Denn wenn etwas nach Pilz riecht (bisschen modrig, bisschen fischig), dann sollte man diese Lustgrotte oder diesen Luststab vielleicht lieber nicht in den Mund nehmen. Auch andere Infektionen können unschön riechen. Natürlich nicht alle.
Auf der anderen Seite kann man sich auch die Frage stellen, ob man den Geruch des anderen wirklich nicht mag oder ob es nur ungewohnt ist. Manchmal liegt der unschöne Geruch an der Nahrung des Gegenübers oder daran, dass der Körpergeruch und das Parfüm nicht einen Millimeter zusammenpassen.
Deshalb eine andere Frage: Magst du den Geruch deines Partners, wenn er oder sie frisch geduscht ist?
Ekel als Schutzfunktion
Wir waren auch schon bei den Krankheiten. Manche Menschen haben auch Angst vor den Körperflüssigkeiten anderer oder sich selbst, weil sie es mit Unsauberkeit verbinden. (Ups, da hab ich deiner Überlegung vielleicht vorgegriffen, die ich anfangs gefragt habe.)
Und auch das ist im Prinzip nicht unklug! Denn über diese Körperflüssigkeiten können Krankheiten übertragen werden und auch Schwangerschaft. Daher ist es auch völlig im Rahmen, wenn man sagt, dass man nicht unbedingt mit fremden Körpersekreten in Kontakt kommen will.
Mein Gegenargument für generelle Nacktheit ist immer: "Willst du dich wirklich auf einen Sitz in der U-Bahn setzen, auf dem schon hunderte Menschen ihren nackten Po und dessen Hinterlassenschaften gerieben haben?"
Auf der anderen Seite ist es auch im Rahmen, dass man mit zunehmender Vertrautheit und Intimität immer entspannter mit Körperflüssigkeiten umgeht. Und sei es nur, dass man sich in dem Moment sympatisch findet und in der Situation der Speichel und alles andere völlig okay sind - für die Nacht oder die eine Stunde.
Und tatsächlich mögen es ein Anteil an Menschen nicht einmal, einen Zungenkuss auszutauschen, weil sie Speichel eklig finden.
Wie stehst du zu dir, zu Sex und zu deinem Partner?
Was ich sagen möchte, ist, dass Ekel durchaus schützende Funktion hat.
Was ich auch sagen möchte, ist, dass Ekel beim Sex zumindest einige Fragen aufwirft.
Denn wer sich vor seinen und/oder den Säften seines/ihres Partners ekelt, kann Sex nie so entspannt und ungehindert genießen. Schließlich gehören diese Säfte dazu. Sperma lässt sich noch kontrollieren, aber Scheidenflüssigkeit fließt halt. Da kann man nichts machen. Und das ist sowohl gut, als auch gesund.
Die Frage ist nach dem Umgang, nach den Erfahrungen und danach, was man damit verbindet. Und damit kommen wir wieder zu zwei übergeordneten Themen, die sich bei sexuellen Fragen immer wieder zeigen:
Welches Bild hast du von Sexualität? Was darf sein, was nicht? Wie nahe stehst du deiner Sexualität in all ihren Facetten?
Und manchmal wirft Ekel auch die Frage auf, ob das nur diese eine Person betrifft, oder ob es schon einmal anders war - mit oder ohne diesem Menschen. Denn Sex mit einem Partner, der dich ekelt, macht etwas mit dir selbst.
In diesem Sinne, viel Lust an dir, deiner Sexualität und einen entspannten Umgang mit deinen Körpersäften!
Claudia