Vor vier Jahren habe ich einen Blogbeitrag über das Thema "Pinkeln beim Sex" geschrieben, in dem ich auf das Phänomen des Squirtings und der weiblichen Ejakulation einging.
In dem Beitrag wollte ich Frauen hauptsächlich die Sorge nehmen, dass sie etwas "falsch" machen. Denn viele Menschen ekeln sich vor den Flüssigkeiten, die beim Sex auftreten können.
Heute gibt es Studien, die dem Phänomen der weiblichen Ejakulation und dem Squirting genauer auf den Grund gingen. Ich bin auf eine wunderbare Metastudie gestoßen, deren Inhalt ich wertvoll zu teilen finde.
Squirting und weibliche Ejakulation sind unterschiedliche Phänomene
Auch wenn es oft nicht unterschieden wird - so wie ich das in meinem letzten Artikel dazu auch nicht getan habe - sind das Squirting und die weibliche Ejakulation unterschiedliche Phänomene.
Squirting
Squirting oder Gushing hat deshalb so an Beliebtheit gewonnen, weil es in einer Vielzahl an Pornos gezeigt wird. Es ist assoziiert mit hoher Lust der Frau und bereichert in vielen Beziehungen tatsächlich das Lusterleben.
Dabei handelt es sich nicht um weibliches Ejakulat, wie es oft angepriesen wird. Es handelt sich dabei um Urin oder sehr wässrigen Urin, der zum Teil auch mit der Prostataflüssigkeit versetzt sein kann.
Aus diesem Grund, dass es sich um Urin handelt, dessen Ursprung aus der Blase kommt, kann man dabei auch relativ viel Flüssigkeit beobachten. Diese Flüssigkeit tritt auch aus der Harnröhre aus.
Der Ausstoß des Squirts kann stattfinden, wenn der klito-urethral-vaginale Bereich stimuliert wird. Das heißt, sie ist eine physiologische Reaktion auf sexuelle Stimulation.
Weibliche Ejakulation
Daneben produziert der weibliche Körper andere Flüssigkeiten beim Sex. Eine davon ist das weibliche Ejakulat.
Es unterscheidet sich sowohl in der Menge, als auch in der Zusammensetzung und im Ursprungsort vom Squirt.
Die weibliche Ejakulation ist eine eher milchige, dickflüssige Flüssigkeit. Im Vergleich zum Squirt ist sie sehr wenig. Im Gegensatz zum Squirt wird die weibliche Ejakulation in der weiblichen Prostata gebildet. Diese ist eine exokrine Drüse, die bei Frauen sehr unterschiedlich groß ausfällt. Man weiß nicht, ob jede Frau diese hat. (Nach meinem logischen Verstand gibt es aber keinen Grund, wieso nicht). Diese Drüse ist zellulär so ausgestattet, dass sie neuroendokrin aktiv werden kann und ist aus Drüsengewebe, Gängen und Muskelfasergewebe aufgebaut.
Im Gegensatz zur männlichen Prostata hat sie mehr Muskelfasergewebe und Gänge, weniger Drüsengewebe.
Das weibliche Ejakulat beinhaltet viel PSA, Fructose und Glucose und entspricht in der Zusammensetzung ungefähr dem männlichen Ejakulat vor der Pubertät.
Die weibliche Prostata hat Zugang zur Harnröhre, weshalb auch das Squirting oft mit der Prostataflüssigkeit versetzt ist.
Aktueller Stand der Forschung ist, dass die weibliche Ejakulation antimikrobisch ist und einen schützenden Effekt vor Harnwegsinfekten hat.
Weibliches Ejakulat ist wahrscheinlich eine physiologische Reaktion auf sexuelle Stimulation.
Vaginale Flüssigkeit
Von diesen beiden Flüssigkeiten und Phänomenen lässt sich die vaginale Flüssigkeit oder vaginale Lubrikation unterscheiden.
Sie wird im Prinzip immer produziert und die Menge der Flüssigkeit hängt vom Zyklus ab, kann bei sexueller Erregung deutlich zunehmen.
Diese Flüssigkeit ist Filtrat aus dem Blutplasma, weist viel Kalium und wenig Natrium auf, und hat im Schnitt einen pH-Wert von 4,7. Sie wird wahrscheinlich durch das Zusammenziehen des Beckenbodenmuskels ausgestoßen. Sie weißt keine Harnsäure auf und ist dickflüssiger als Urin.
Diese Flüssigkeit wird bei sexueller Erregung vermehrt produziert.
Koitale Inkontinenz
Jetzt möchte ich noch auf ein Phänomen aufmerksam machen, das Frauen immer wieder berichten: Koitale Inkontinenz. Darunter versteht man unfreiwilliges Pinkeln während des Sex. Laut der Metastudie ist dieses Phänomen bei Frauen zwischen 10-67% zu beobachten, wenn sie sowieso unter Inkontinenz leiden.
Was dagegen hilft: Beckenbodentraining!
Man hat beobachtet, dass Frauen, deren Detrusormuskel überaktiv ist und Frauen, die unter stressbedingtem Urinieren leiden, öfter Koitale Inkontinenz erleben.
Doch dieses Phänomen lässt sich in zwei Unterphänomene aufgliedern:
- Penetrative Koitale Inkontinenz
- Orgastische Koitale Inkontinenz
Es gibt die Vermutung, dass Frauen, die das 1. Phänomen erleben, eher auch stressbedingt Urin verlieren und Frauen, die mehr das 2. Phänomen erleben, unter einem überaktiven Detrusormuskel leiden.
Weibliche Flüssigkeiten und sexuelle Lust
So, nach all diesen beobachteten Phänomenen möchte ich noch einmal auf das Lustvolle und das Gefühl zu sprechen kommen.
Ich finde es für die sexuelle Aufklärung wichtig zu wissen, was im Körper passiert. Denn darüber lassen sich Ängste mildern und beobachtbare Erlebnisse einordnen.
Und ich möchte darauf aufmerksam machen, dass diese Erkenntnisse auch eine Enttabuisierung von Körperflüssigkeiten herbeiführen kann.
Wenn du oder dein Partner in den letzten Jahren Spaß am Squirten hattet und es als Zeichen der Lust gesehen habt, dann darf es das auch weiterhin.
Vielleicht hilft das auch, Urin von seinem Stigma zu befreien. Denn es ist eben "nur" eine Körperflüssigkeit. Manchmal sehr verdünnt, dass er geruchlos wird und im sexuellen Kontext, ohne, dass man dafür eine spezielle Vorliebe haben muss, völlig okay.
Vielleicht befreit es manche Frauen vom Druck, endlich squirten lernen zu wollen. Denn es ist lustig, vielleicht auch lustvoll, es zu tun, aber es ist nicht nötig, um guten Sex zu haben.
Eine innere Haltung, die mit Neugier an Sex heran geht, ist für alle Beteiligten stressfreier und kann zu mehr Lockerheit, Freude und Genuss führen, als wenn man alles, was während Sex passieren kann, pathologisiert oder ängstlich betrachtet.
Und zu guter Letzt gibt es Anlaufstellen, die sich mit Sexualität hauptsächlich befassen, die immer gerne Hilfestellung leisten und Antworten geben.
Also: Genießt eure Flüssigkeiten! Sie sind alle fabelhaft!
Claudia