Vor mir sitzt eine toughe Frau mittleren Alters. Sie hat wache Augen, ein Selbstbewusstsein, von dem sich viele Menschen eine dicke Scheibe abschneiden könnten und sie immer noch genügend davon übrig hätte.
Sie steht mit beiden Beinen so felsenfest im Leben, managet ihren Job und hat zwei Teenager zu Hause. Einfach wow! Beim ersten Kontakt am Telefon dachte ich mir ehrlich: "Wo soll da bitte ein Problem sein?"
Wo ist der Haken?
In der Tat beginnt das Gespräch auch sehr strukturiert. Wir unterhalten uns gut, es fließt. Wir sind auf Augenhöhe. Das macht so richtig Spaß. Auch die Beschreibung ihres Sexlebens ist detailliert. Sie hat die Fähigkeit, sich sehr gut zu beobachten. Also immer noch die Frage in meinem Kopf: "Wo ist das Problem?"
Ich schließe für einen Moment die Augen, während sie mir in Präzision erzählt, wie sich ihr Sexleben seit Jahren positiv verändert.
Da ist es!
Wie fühlt sich Sex für dich an?
Sie beendet ihre Beschreibung und sieht mich ratlos an: "Was mache ich falsch? Ich hab doch schon so viel gemacht, um endlich ein tolles Sexleben zu haben."
Ich nicke und stelle folgende Frage:
Wie fühlt sich Sex für dich an?
Bäm! Das war's!
Ihr Blick ist irritiert. Und sie schweigt. Dann spricht sie ganz mechanisch weiter. Und spricht und spricht. Dann ein entscheidender Satz:
"Gute Gefühle sind verboten!"
Und somit hatten wir herausgefunden, was das Problem war und konnten dieses Verbot verändern.
Verbote haben viele Gesichter
So wie dieser Frau geht es sehr vielen Menschen (nicht nur Frauen). Das fiese ist, dass diese Verbote, die in uns wirken, so viele Gesichter haben.
Die Auswirkungen dieser Verbote sind Scham, Ignoranz oder körperliche und/oder emotionale Taubheit gegenüber der eigenen Sexualität, Lust und Körperlichkeit.
Verbote haben viele Ursachen
Diese zum Teil versteckten oder offenen Verbote haben so viele Ursachen, dass ich gar nicht versuchen möchte, eine erschöpfende Liste anzufertigen. Häufig ist es eine Kombination aus Erziehung, Umwelteinflüssen und Ahnungslosigkeit.
Viele Menschen arbeiten ihre Themen auf und lösen Stück für Stück Überzeugungen, die sie im Alltag belasten, auf, um ein schöneres, freieres und glücklicheres Leben zu haben.
Genau so ist es auch bei der Sexualität. Es gibt mittlerweile viele Menschen, die sich zugestehen, dass sie Lust auf erfüllenden Sex haben, auf eine Sexualität, die sie berührt und beflügelt.
Wer fliegen will, braucht Flügel
Oder Feenstaub!
Wenn du noch nicht die Sexualität lebst, die dich glücklich macht (nicht bloß abfrühstückt) und dich beflügelt, dann kannst du das ändern.
Bekanntlich führen viele Wege nach Rom. Jetzt bekommst du erst einmal eine Übung, in der du die kleinen (und großen) Verbote aufspüren kannst, die in dir herumspuken. Du brauchst sie nicht machen. Es steht dir - wie immer - frei dich dafür oder dagegen zu entscheiden.
Die Frau vom Anfang hat die Übung im Prinzip mit mir gemacht. Du kannst sie daheim machen.
Finde deine Verbote - und verabschiede sie
- Nimm dir einen Stift und viele weiße Blätter.
- Schreibe auf eins: "Was ich über Sex denke..."
- Schreibe auf ein anderes: "Was ich über Sex fühle..."
- Stell dir den Timer auf 15 Minuten.
- Schreibe zu Punkt 2 die ganzen 15 Minuten das Blatt voll, was dir in den Sinn kommt. Es darf sich wiederholen.
- Mach das gleiche mit Punkt 3.
- Lies dir deine Notizen durch und spür nach, wo es am meisten Unwohlsein auslöst.
- Nimm diesen Punkt und sammle Gegenbeispiele.
- Gibt es keine, gib dir die Erlaubnis, diesen Punkt kennen zu lernen/aufzulösen/loszulassen.
- Leg die Blätter weg und mach dir einen Kaffee oder sonst etwas, das du genießt, und lass alles erst einmal sacken.
Gute Gefühle erlaubt!
Egal, was du möglicherweise an Gedanken und Gefühlen in dir hast, es ist IMMER erlaubt, gute Gefühle zu haben! Das hört sich lapidar an, aber wir sind so trainiert darauf, dass wir uns ständig schlecht oder schuldig fühlen sollen, dass das "Gutfühlen" selten wahrgenommen wird.
Deshalb: Fühl dich gut wann immer du es möchtest! Ja, es ist erlaubt - auch beim Sex.
Viele gute Gefühle für dich!
Claudia