Schon wieder sitzen mein Partner und ich aneinander gekuschelt auf dem Sofa. Doch das einzig spannende im Raum ist der dramatische Höhepunkt der Fernsehserie, die wir miteinander anschauen. Langeweile, Ödnis, von erotischer Anziehungskraft keine Spur mehr. Der letzte Sex fühlte sich nach einer zu erfüllenden Aufgabe an, die auf der Beziehungs-to-do-Liste steht. Dabei ist die Beziehung über die Jahre so schön harmonisch geworden...
Ähnliche Szenen spielen sich in vielen Partnerschaften ab. Dabei schwören sich die meisten, dass es bei ihnen niemals soweit kommen wird. Denn wenn man sich liebt, verliert man nie die Lust aufeinander... Und doch ist Sexlosigkeit oder Langeweile im Bett in Beziehungen ein häufiges Thema.
Unsere Biologie unterstützt unsere Vorstellung von der ewig leidenschaftlichen Beziehung nicht gerade. Je länger die Beziehung, desto mehr wird aus dem „Ich-falle-sofort-über-dich-her“-Cocktail der „Kuschel“-Cocktail. Deshalb sind auch völlig harmonische Beziehungen nicht vor Sexlosigkeit nicht gefeit. Denn Sexlosigkeit ist, im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung, nicht immer unbedingt ein Symptom von Beziehungsproblemen.
Was, wenn Harmonie und Nähe die Lust töten?
Harmonie und Nähe töten die Lust nicht, auch wenn wir das manchmal glauben. Am Anfang einer Beziehung ist alles aufregend: Der andere, sein Geschmack, sein Geruch, wie er tickt, wie er sich anfühlt etc. Wir sind darauf ausgerichtet, sofort auf den Kick des Neuen anzuspringen. Unsere Lust wird durch den „Reiz des Neuen“ richtig angefacht.
Jeder kennt das Phänomen, dass irgendwann die pure Anwesenheit des Partners nicht mehr ausreicht, um einen auf Sextouren zu bringen. Andere attraktive Menschen lassen das Sexbarometer jedoch schnell auf 100% ansteigen. Häufig glauben wir, dass wir unseren Partner dann nicht mehr scharf finden, denn wir sind es gewöhnt, dass unsere Lust durch den anderen entfacht wird. In langen Beziehungen wirkt der Partner alleine meist nicht mehr als Aphrodisiakum.
Doch es gibt Beziehungen, in denen das Sexleben nicht langweilig, eintönig und emotionslos wird.
Was machen diese Paare anders?
Diese Menschen haben gelernt, die eigene Lust unabhängig von ihrem Gegenüber anzuregen. Während Männer sich oft neuen Input holen, haben es Frauen häufig gar nicht gelernt, ihre Lust zu kultivieren. Sie ist sexuell wie ein Strohfeuer: Schnell entzündet und schnell vorbei (und dann für immer tot). Dabei lässt sich Lust lernen. Das Geheimnis ist es, die sexuelle Lust wie ein Herdfeuer nie ausgehen zu lassen. Ganz nach Bedarf kann sie auf Sparflamme sein oder heiß lodern, denn Feuer zu entfachen ist mit etwas Glut viel leichter als ohne. Genauso ist es mit der Leidenschaft. Ist der Ofen aus, braucht es viel Aufwand, bis er wieder an ist.
Doch was kannst du tun, um dein Liebesleben wieder mit Sex zu bereichern?
Zeit für Liebe schaffen
Im Alltag geht der Sinn für Romantik schon mal unter. Arbeit, Kinder, Freunde, Hobbies oder was einen sonst so umtreibt, lassen einen manchmal vergessen, dass Sonderaufmerksamkeiten für den Partner oder vom Partner sehr belebend sind. Auch wenn es unromantisch klingt, hilft es, sich in der Partnerschaft auch Zeiten einzuräumen, die nur für Zweisamkeit bestimmt sind. Kein Telefon, kein Facebook, kein WhatsApp und kein anderen Störfaktoren. Wie diese Zeit gestaltet wird, kann sich das Paar selbst überlegen: Essen gehen, ein gemeinsames Bad, ausgibig Zeit für Sex, etc.
Wer diese Zeit nicht aufbringen mag, sollte sich wirklich überlegen, ob die Beziehung nicht andere Probleme hat als nur Sexlosigkeit.
Freiräume schaffen
Neben der Zeit zu zweit ist auch die Zeit alleine unglaublich wichtig, um das Sexleben lebendig zu halten. Viele Paare kleben fast aneinander. Anfangs ist das verständlich und wichtig, um sich kennenzulernen und ein Paar zu werden. Doch Beziehungen bestehen aus Individuen, die durchaus unterschiedliche Interessen haben können. Vernachlässigen die Partner ihre individuellen Interessen und verschmelzen zu einer „Wir-Identität“, gibt es keine neunen Impulse, die Spannung erzeugen können. Es gibt nichts mehr zu erzählen und der andere entwickelt sich zum vermeintlich auswendig gelernten, offenen Buch.
Gefühle, Kommunikation und die Illusion, den anderen in- und auswendig zu kennen
Sind Partner sehr vertraut miteinander, entsteht die Illusion, den anderen zu 100% zu kennen. Wir maßen uns an zu wissen, was der andere fühlt und glauben seine Reaktionen vorhersagen zu können. Einmal diskutierte Meinungen oder besprochene Themen werden als unveränderbar und für immer als gültig angesehen.
Doch das ist so nicht richtig. Zwar hat jeder Überzeugungen, die kaum oder schwer veränderlich sind, doch vieles verändert sich durch die Lebenserfahrung in manchen Punkten doch. Das ist in allen Lebensbereichen so. Je mehr und je unterschiedlichere Erfahrungen wir sammeln, desto dynamischer sind in der Regel auch unsere Ansichten.
Ähnlich verhält es sich mit Gefühlen. Ein einmalig ausgesprochenes „Ich liebe dich“ bedeutet nicht automatisch „ich liebe dich für immer und ewig bis ans Ende aller Zeit“. Auch in Beziehungen wird die Gefühlswelt selten mitgeteilt, weil wir annehmen, dass wir wissen, wie es dem Partner geht und wie er bestimmte Lebensbereiche emotional wahrnimmt.
Um Nähe herzustellen und den Partner in seiner Lebendigkeit zu erfahren, ist es wichtig, über Befindlichkeiten und Gefühlte zu sprechen. Sonst verharren wir gedanklich bei dem Bild, das wir uns von unseren Partnern erdacht haben und entdecken nie alle Facetten seiner Persönlichkeit.
Gerade um sich sexuell zu entwickeln, ist der Austausch zwischen Partnern wichtig. Aus Angst, Scham oder Unbequemlichkeit heraus werden viele Wünschen oder Probleme nicht angesprochen. Wir wollen den anderen nicht verletzen oder überfordern. Doch damit stirbt jede Lebendigkeit. Um ein befriedigendes Sexleben zu haben, lohnt es sich, über Sex zu sprechen.
Sex muss nicht immer gleich ablaufen
Sex ist manchmal aufregend und heiß, manchmal ist er eher zärtlich und sacht. Manchmal intensiv und manchmal schlicht und effektiv. Manchmal schafft er Nähe, manchmal wird er durch die Geilheit des Triebs zu einem Erlebnis.
Jedes Paar entwickelt über die Zeit eine „best practice“, weil beide zum Orgasmus kommen und befriedigent werden. Paare, die ihr Sexleben pflegen, variieren ihre Spielart und lassen sich von ihren emotionalen Bedürfnissen leiten. Wenn Emotionen ins Sexleben mit einbezogen werden, entsteht eine Dynamik, die jenseits des Kopfkinos ist.
Kopfkino ist zwar gut, kann das Sexleben auf Dauer jedoch eintönig machen, wenn das Drehbuch im Kopf verhindert, dass man den Moment erlebt. Ergänzt man die eigene Fantasie mit den im Moment gefühlten Emotionen, entsteht Dynamik im Körper, die eine größere Vielfalt entwickelt als eine starre Vorstellung.
Emotinen beim Sex bringen eine eigene Qualität und Authentizität in die Sexualität, die man sich nicht anlesen kann.
Anregungen
Reicht die eigene Kreativität nicht mehr aus und ist die eigene Fantasie erschöpft oder möchte man sein Repertoir erweitern, ist es eine gute Idee, sich Anregungen zu holen.
Eine Möglichkeit sind Erotikfachhandel und Toyparties. Auch Online-Shops können Ideen liefern. Es kann ein unglaublicher Spaß sein, mit dem Partner vor dem Bildschirm zu sitzen und sich einen Abend lang durch sämtliche Online-Sexshops zu klicken.
Neben Filmen und Bücher eignen sich auch Vorträge oder Tantra-Kurse hervorragend, wieder neuen Wind in das Sexleben zu bringen.
Auch Freunde sind ein weiterer guter Anlaufpunkt für neue Ideen.
Manche Paare einigen sich nach Jahren der exklusiven Monogamie darauf, dass sie ihre Beziehung für sexuelle Abenteuer öffnen. Das ist nicht für jeden etwas, doch es bringt wieder Dynamik in eine Beziehung und kann eine Beziehung enorm beleben.
Solo-Sex
Weiter vorne im Text hatten wir das Thema, dass Lust kultiviert werden muss. Um das Feuer der Lust zu schüren, ist Solo-Sex der Königsweg. Und wer meinen Blog und mich bereits ein wenig kennt, weiß, dass ich eine wahre Verfechterin und Liebhaberin der Selbstliebe bin!
Es mag paradox klingen, doch Solo-Sex kann das Sexleben von Paaren enorm beleben. Das hat mehrere Gründe:
- Wenn jeder Partner sexuell satt ist (genügend Orgasmen hat), dann fällt es leichter, die gewohnten Routinen zu durchbrechen und Neues auszuprobieren, weil man nicht auf den Orgasmus angewiesen ist.
- Beim Solo-Sex kann jeder Partner seinen Körper besser kennen lernen. Bezieht man den ganzen Körper mit ein in die Selbstliebe, kann das bereichernd sein für beide Partner.
- Je variantenreicher die eigene Selbstliebepraxis ist, desto experimentierfreudiger ist man auch beim Sex. Der Körper lernt, dass es mehr als eine einzige Art gibt, Lust zu bekommen und einen Orgasmus zu haben. Das hilft dabei, die Scheu vor dem Experimentieren zu reduzieren.
- Durch Selbstbefriedigung entdeckt der Körper neue erogene Zonen und neue Praktiken können geübt werden.
- Außerdem: Je intensiver und genussvoller die Selbstliebe ist, desto erotischer und begehrenswerter fühlt man sich.
- Je genauer man seinen Körper kennt, desto selbstsicherer wird man und das wirkt sexy, anziehend und erotisch!
Wenn du also neuen Wind in dein Liebesleben bringen möchtest, fange bei dir an und entzünde die Lust bei dir. Je nach Lebenssituation lohnt es sich, mehr Freiräume oder mehr Nähe zu schaffen. Kommunikation wirkt auch in sexuellen Belangen manchmal Wunder.
Wichtig ist nur, dass Lust kein Zufallsprodukt ist, sondern geübt und kultiviert werden will. Und das ist umso wichtiger, je länger man sich kennt.
Also viel Spaß beim Erneuern deines Sexlebens mit dem Partner (und dir selbst)!
Claudia