Sinnlichkeit

sinnliche Feigen
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Hast du dich schon einmal gefragt, was es bedeutet, wenn jemand sagt: Das ist eine sinnliche Frau?

 

 

Sinnlichkeit hat - wie jedes nicht greifbare Wort - für jeden Menschen immer eine andere Bedeutungsnuance.


Der Zugang zur Außenwelt

Wenn wir auf den Wortursprung zurück gehen, geht es hier ganz greifbar um unsere Sinne: Hören, Fühlen, Sehen, Schmecken, Riechen.

 

Unsere Sinne sind unsere Verbindung zur Außenwelt. Mit ihnen nehmen wir wahr, was außerhalb unseres Körpers passiert. Wir erfahren, wie das Außen für uns ganz individuell ist.

 

Wir sind es vermehrt gewohnt, den Sehsinn als Hauptsinn zu nutzen. Es gibt Studien, die zeigen, dass wir uns bis zu 80% über den Sehsinn orientieren. Der Mensch verkommt zum "Augentier", wie es die Gruppe Rammstein in ihrem Song "Morgenstern" singen: Wir schauen auf unsere Smartphones, wir schauen in den Fernseher, wir sehen uns Dinge an.

 

Die wenigsten Menschen nehmen sich die Zeit, ihre Mahlzeiten zu schmecken, geschweige denn zu riechen oder gar zu fühlen.

 

Fixierung auf einen Sinn

Dadurch, dass wir tendenziell auf unsere visuellen Sinn fixiert sind, entgehen uns viele Nuancen des täglichen Lebens. Wir ignorieren die anderen Möglichkeiten unsere Welt zu erfahren. Natürlich ist es einfach sich auf einen Sinn zu beschränken und zwar auf den, der uns die meiste Orientierung gibt. Schließlich ist eine Website nicht geschmacklich, riechbar oder über unseren Tastsinn zu erfassen.

 

Doch die Zeitersparnis hat auch ihren Preis. Die anderen Sinne sind für den Menschen mindestens genauso wichtig wie das Sehen. Vielleicht nicht immer bei der Orientierung, aber für unsere Psyche und Seele macht es einen Unterschied, ob wir unsere Umwelt umfassend wahrnehmen oder nicht.

 

Auch für unsere Lust und unser Sexualleben machen die anderen 4 Sinne einen großen Unterschied.

 

Hingabe ohne Sinnlichkeit unmöglich

Viele Frauen treten mit dem Problem an mich heran, dass sie sich nicht fallen lassen können. Das Problem ist zwar etwas komplexer als nur der Mangel der sinnlichen Wahrnehmung, aber eins steht fest: hier ist der Kopf überaktiv.

 

Sich fallen lassen heißt auch, in die aktuelle Situation VÖLLIG eintauchen zu können - mit allen Sinnen. Ja, ALLEN! Denn für den Liebesakt ist es zwar auch schön, wenn wir jemand für uns optisch ansprechenden vor/unter/über/hinter uns haben, doch das allein ist nur ein Bruchteil unseres Genusspotenzials.

 

Sich völlig fallen zu lassen und in die Situation einzutauchen und das ganze Lustpotenzial anzusprechen, bedeutet auch mit ALLEM, was uns zur Verfügung steht, wahrnehmen und wahrnehmbar sein.

 

Ein Experiment zum Mitmachen

Ein Beispiel: Du bist erkältet und möchtest mit deinem Partner Sex haben (ignorieren wir die Tatsache, dass man sich dabei meist abgeschlagen fühlt). Du siehst ihn, aber du bist nicht in der Lage ihn zu riechen oder zu schmecken, weil diese Sinne im Moment taub sind. Außerdem steckst du dir Ohropax ins Ohr, damit du nichts hörst und am besten ziehst du dir einen Schutzanzug an, damit er sich nicht ansteckt. Leider verpuffen dann die Berührungen, die ihr euch schenkt, im Nichts.

Na, wie fühlt sich das an?

 

Und jetzt stell dir folgendes vor: Du möchtest mit deinem Partner schlafen. Kerzenlicht brennt. Deine Aromalampe verströmt einen anregenden Duft von Orangen oder Vanille. Ihr beide seid ganz eng beieinander. Du nimmst seinen/ihren Körperduft wahr (am Hals und im Nacken ist der Duft meist sehr intensiv). Riechst an ihm/ihr. Du fühlst seine/ihre Haut - du spürst sie mit deinen Fingern, deinem Handrücken, deinen Brüsten, deinen Wangen und Lippen... Du hörst seinen/ihren Atem, das Herz, die Geräusche im Zimmer... Er/Sie berührt deine Haut, deine Lippen, deine Brüste, deinen Bauch, deinen Po, deine Beine...

Na, wie liest sich dieser Text? Wie reagiert dein Körper jetzt?

 

Und noch ein nettes Geschenk der Sinnlichkeit

Wenn du dir die Zeit nimmst, alle Sinne bewusst wahrzunehmen, hast du keine Zeit mehr, dich damit zu beschäftigen, was du alles noch erledigen musst, ob du 5 Kilo zu viel/zu wenig auf die Waage bringst, ob du irgendetwas "gut" machst. Dann bist du genau in DIESEM Moment und öffnest dich für diese Sekunde.

 

DAS ist Sinnlichkeit pur!

 

 

Hier noch eine Übung zum Training deiner Sinn(lichkeit)e

Suche dir einen Sinn aus, der dir leicht fällt und beginne mit diesem. Danach kannst du einen Sinn nach dem anderen durchgehen.

 

Nimm dir Zeit dafür und sei so detailliert wie nur irgend möglich. Je intensiver und häufiger du die Übung machst, desto schneller werden sich deine Sinne wieder auf ihren Gebrauch einstellen.

 

Gehe folgendermaßen vor:

 

1. Nimm dir einen Apfel oder eine sonstige Frucht, die du gerne magst (wenn du gar keine magst, dann nimm etwas anderes, das dir schmeckt; ich bleibe beim Beispiel Apfel).

 

2. Lege den Apfel nun gut beobachtbar auf den Tisch. Sieh ihn dir genau an. Welche Farbe hat er? Welche Form? Ist er gleichmäßig? Wie ist seine Schale beschaffen? Hat er am Stiel ein Blatt? Ist der Stiel schon weg? Wie sieht der Blütenstempel ("unten" am Apfel) aus? Verweile in der Beobachtung und beschreibe den Apfel in deinem Kopf so detailliert wie möglich. Und wenn du denkst, du hast alles gesehen, schau noch einmal genauer hin.

 

Für die nächsten Schritte schließe deine Augen:

 

3. Nimm den Apfel nun in die Hand. Wie fühlt er sich in deiner Hand an? Entdeckst du Unebenheiten? Fahre ihn mit den Fingern ab. Nimm ihn in beide Hände. Passt er hinein? Berühre ihn mit den Fingerspitzen. Lege ihn an deine Wange und fühle, wie er sich dort anspürt. Berühre ihn mit deinen Lippen. Wie fühlt er sich da an? Gibt es eine Stelle, die sich ganz anders anfühlt? Ist er glatt? Oder eher porig? Wie sind die Unterschiede zwischen Hand, Finger, Wange und Lippe?

 

4. Nun führ den Apfel zu deiner Nase und rieche an ihm. Riechst du den Apfel? Riechst er süßlich, säuerlich, fruchtig? Riecht er nach Wachs? Riecht er gar nicht? Reibe den Apfel an einer Stelle, sodass er warm wird. Wie riecht er jetzt? Ist der Geruch am Stiel oder am Stempel anders?

 

5. Höre nun, wie sich der Apfel in deiner Hand anhört. Klopfe sachte auf ihn drauf. Welches Gräusch ertönt? Klopfe ihn überall ab. Stellst du unterschiede fest?

Beiße in den Apfel, wie hört sich dieses Geräusch an? Wie hört es sich an, wenn du das Apfelstück kaust?

 

6. Lecke an der Schale des Apfels. Nimmst du einen Geschmack wahr? Wenn ja, wie ist er? Beschreibe ihn für dich. Wie schmeckt das Fruchtfleisch? Ist es süß, sauer, fruchtig?

 

Wenn du jetzt noch nicht genug hast, kannst du nachfühlen, wie sich der Apfel in deinem Mund anfühlt. Als Stück, gekaut. Beobachte, ob sich der Geschmack während des Kauens verändert. Riechst du den Apfel jetzt intensiver?

 

Diese Übung kannst du mit allem wiederholen, was du isst. Du kannst es auch mit Gegenständen machen, die nicht giftig sind. Oder wandle die Übung ab, wenn es nichts essbares ist. Spüre die Fläche, auf der du sitzt, fühle das Bett, auf dem du liegst. Rieche an Gegenständen, Essen und Trinken.

 

Je mehr du deine Umwelt mit allen Sinnen wahrnimmst, desto präsenter bist du im Augenblick. Sei neugierig und erfinderisch.

Ich wünsche dir viel Spaß beim Ausprobieren!

 

Bis bald,

Claudia